Die Lust, Neues zu entdecken und Gestaltungsspielräume zu nutzen, hat Dr. Ricco Deutscher schon immer geleitet. Der Gründer mehrerer Start-ups ist überzeugt: Diese Eigenschaften sind im Zeitalter der Digitalisierung unerlässlich.
Zuerst erschienen im 1822 Private Banking Magazin. Mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Sparkasse.
Von Julia Droege-Knaup
Der promovierte Physiker war als Softwareentwickler bei SAP und als Berater bei McKinsey tätig und entwickelte 2011 eine Plattform, die Geschäftsprozesse automatisiert. Manuelle Tätigkeiten, etwa die wiederkehrende Rechnungserstellung und Zahlung, werden dabei vollständig auf sein Unternehmen billwerk übertragen. „Unser Service ist exemplarisch für die Umwälzungen durch die Digitalisierung“, schildert Deutscher. „Viele Kunden sehen die Auslagerung ihrer Geschäftsprozesse skeptisch. Das ist verständlich, denn sie begeben sich auch in eine Abhängigkeit. Aber es gibt aus meiner Sicht keine Alternative.“
Die Digitalisierung sei vergleichbar mit der Industrialisierung: „Wir stehen noch ganz am Anfang. Digitales Denken bedeutet Denken in Informationen. Medienbrüche verschwinden, etwa von Papier zu Daten.“ Bei den Kindern werde dies erlebbar: „Sie wachsen digital auf, ihr Leben findet vor allem in sozialen Netzwerken statt. Im Urlaub postet mein Sohn Fotos aus dem Ausland. Sein Freund am anderen Ende der Welt antwortet mit eigenen Bildern. Da muss ich eher manchmal einschreiten“, schmunzelt Deutscher. Befürchtet er angesichts dieser Dynamik, selbst den Anschluss zu verpassen? „Nein, denn als Physiker war mir früh die umwälzende Bedeutung dieser Technologie klar – und diese Chance habe ich genutzt.
Gestaltungsspielräume schaffen, Entwicklungen anstoßen
Das zieht sich durch Deutschers Leben. Er wuchs in der DDR auf und studierte in Moskau. „Die Wissenschaft war damals der einzige Raum, in dem man sich frei entfalten konnte. Als ich fachlich an meine Grenzen kam, verließ ich die DDR, um mich in Westeuropa weiterzuentwickeln.“ Deutscher promovierte in Hannover und merkte, dass die westdeutsche Gesellschaft weitere Optionen bot, etwas Neues aufzubauen. „Ob es sich um eine naturwissenschaftliche Entdeckung handelt oder um ein neues Geschäftsmodell: Mir war stets wichtig, einen ‚Impact‘ zu haben“, erinnert er sich.
Investitionsentscheidungen: Wer profitiert vom Strukturwandel?
Bei Investitionsentscheidungen empfiehlt er, zu prüfen: Wer profitiert vom Strukturwandel? Wie viel und auf welche Art soll investiert werden; gehe ich in Private Equity oder will ich ein Frühphasen-Investment tätigen? „90 Prozent der Unternehmen aus den Zukunftsmärkten wird es in fünf Jahren wohl nicht mehr geben“, meint er, „solche Investments sind riskant.“ Als Laie entscheide man sich besser für einen Fonds, der die Chancen und Risiken einschätzen könne. „Man sollte sich nicht von plumpem Marketing fehlleiten lassen. Das Schlagwort ‚Künstliche Intelligenz‘ steht nicht immer für technischen Fortschritt. Sie basiert auf neuronalen Netzwerken, die wir in der Physik schon vor 30 Jahren genutzt haben. Jetzt ist es eine kommerzielle Attraktion. Das muss man unterscheiden“, betont Deutscher.