Preisoptimierung – Die Rolle moderner Methoden für den Markterfolg
von Frank Frohmann
Update Mai 2020:
Niemals zuvor in der Wirtschaftsgeschichte war es für Unternehmen aller Branchen derart wichtig, sich flexibel auf Kundenanforderungen auszurichten. Die Corona-Epidemie rückt die Preisoptimierung noch stärker als bisher in den Fokus.
Die Voraussetzung, um den Cash flow zu sichern, Gewinnpotenziale auszuschöpfen und Kunden gleichzeitig an das Unternehmen dauerhaft zu binden, ist der Einsatz von innovativen Methoden für die Preisoptimierung. Diese Methoden werden im folgenden Artikel beschrieben und anhand von Best Practice Beispielen verdeutlicht.
Der Einführungsbeitrag bezieht sich auf die Einführung einer less expensive-Alternative,- am Beispiel des iPhone von Apple. Die dort skizzierte Ausweitung des Preis-Leistungsangebots ist derzeit eines der meist diskutierten News in den Wirtschaftsmedien: Die Einführung des Apple iPhone SE.
In dieser Serie wurde bereits der Artikel zum Thema „Digital Pricing: Die Rolle des Preismanagements im Rahmen der digitalen Transformation“ veröffentlicht.
Weiterhin sind Ausarbeitungen zu den Themen „Preismodelle für Subscription und Pay-per-use Anwendungsfälle“ und „Preispsychologie“ in Planung.

Gastautor: Frank Frohmann
Business Development Manager Pricing bei Vistex
Key take aways zur Preisoptimierung:
1. Alle erfolgreichen Preisstrategien basieren auf der klaren Ausrichtung an Kundenanforderungen. Dort, wo Preisbereitschaften und Kundenfeedbacks ignoriert werden, sind Probleme vorprogrammiert.
2. Als ein jüngeres Beispiel für eine temporäre Vernachlässigung des Kundenfeedbacks lässt sich Apple nennen. Apple war mit seinem iPhone über einen Zeitraum von ca. 10 Jahren ein Paradebeispiel für überragende „Pricing Power“. Allerdings erkannte man zu spät, dass die Luxuspreise des iPhone mit jeder höherpreisigen Produktgeneration zunehmender Kundenreaktanz ausgesetzt waren.
3. Mit der Modellserie (XS Max, XS und XR), die im September 2018 eingeführt wurde, überspannte man den Bogen aus Kundensicht.
4. Nur wenige Monate später diagnostizierten Wirtschaftsmedien einen „erdrutschartigen Einbruch der Verkaufszahlen“. Von „kollabierenden Verkäufen“ wurde gesprochen. Nach vielen Erfolgsjahren hatte die überaus hohe „Pricing Power“ von Apple zwischenzeitlich Einbußen erlitten. Zu diesem Zeitpunkt war mein Buch „Digitales Pricing“ seit wenigen Monaten auf dem Markt. Dieses enthält u.a. eine kurze Fallstudie, deren Einschätzung zur geplanten Modellreihe durch die Marktrealität bestätigt wurde.
5. Mit dem Einsatz innovativer Methoden der Preisoptimierung („Social listening“, „Voice of Customer“-Analytics) hätte man die massive Kritik der Kunden am Preis-Leistungs-Verhältnis frühzeitig erkennen können. „Weak signals“ wurden im Laufe der Jahre 2017 und 2018 immer lauter. Zur strukturierten Analyse von Kundenfeedback steht Software von Unternehmen wie SAP (Qualtrics) zur Verfügung.
6. Apple hat aus dem Rückschlag allerdings schnell gelernt und dagegen gesteuert. Zu den Gegenmaßnahmen zählt das Angebot neuer Produktversionen, die preissensitive Kundensegmente bedienen. Auch die Preisstruktur des iPhone 11 (Ende 2019) lässt erkennen, dass man aus der massiven Kritik gelernt hat. Damit beweist Apple (so wie andere „Pricing champions“ – Amazon, Microsoft, Sixt und viele andere zuvor): Eine wesentliche Kernkompetenz im Pricing besteht in der schnellen Reaktion auf veränderte Marktbedingungen! Die derzeitigen makroökonomischen Bedingungen (drohende Pandemie; deutlich reduzierte Geschäftserwartungen) verstärkt die Bedeutung der Agilität noch.
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Einleitung: „7C“ des Pricing
Jede Preismaßnahme und Preisoptimierung muss zumindest sieben wesentliche Informationen einbeziehen.
Diese lassen sich mit den „7C“ des Pricing symbolisieren. Im Kern geht es um folgende Fragen:
- „Customer“: Was sind die Nachfrager zu zahlen bereit? Wie hoch sind die Preiselastizitäten der Kunden für unsere Produkte?
- „Competition“: Zu welchen Preisen verkauft unsere Konkurrenz? Wie werden die Wettbewerber auf unsere Maßnahmen reagieren?
- „Costs“: Wie setzen sich unsere Kosten zusammen?
- „Capacity“: Wie stellt sich die Kapazitätssituation in der Branche dar? Wie hoch ist die Auslastung unserer Produktions- und Servicekapazitäten?
- „Cycle stage“: In welcher Phase des Produktlebenszyklus befindet sich unser Angebot?
- „Company targets“: Was ist unsere Strategie? Welche Ziele verfolgen wir?
- „Compliance“: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind für das Pricing in unserer Branche zu beachten?
Der Kunde ist Einflussfaktor No. 1 bei der Preisoptimierung
Unter den 7 Einflussfaktoren hat der „Kunde“ mit Abstand die höchste Relevanz! Nur mit dem Wissen über die Zahlungsbereitschaft der Kunden können fundierte Preisentscheidungen getroffen werden. Es gibt unzählige Beispiele von Unternehmen, die mit zu hohen oder niedrigen Preisen gescheitert sind. „Pricing Failure“ umfasst in der Konsequenz zahlreiche Facetten: Langfristiger Marktaustritt, Verfehlen von Umsatz- und Gewinnzielen, massive Kundenreaktanz, langfristige Imageschäden etc.
Microsoft verlor mit seiner X-Box im Zeitraum zwischen 2002 (Markteinführung) und 2006 4 Milliarden Dollar. Der Fehler im Kern: Zu hoher Startpreis im Vergleich zu Sony. Alle nachfolgenden Preissenkungen (von 479 € auf zuletzt 99 €) konnten die Fehlpositionierung in puncto „Preis-Leistung“ nicht kompensieren.
Fallbeispiel Apple
– Situation –
Apple war mit seinem iPhone lange Zeit ein Paradebeispiel für erfolgreiches Pricing. Die Erfolgsgeschichte in Stichworten:
– Einführung des Smartphone im Juni 2007 in USA.
– 2 Versionen zum Startzeitpunkt (4 GB und 8 GB).
– Einführungspreis der höherwertigen Variante: 599 $
– kontinuierliche Weiterentwicklung des Produktportfolios.
Ergebnis:
1. Der Durchschnittpreis des iPhone lag im Jahre 2018 bei 765 $.
2. Das Smartphone erreichte einen Anteil von bis zu 75 % am Konzerngewinn.
3. Die Entwicklung der Durchschnittpreise verlief nicht linear, sondern progressiv. Alleine von 2017 bis 2018 stieg der „average selling price“ um 20 %.
Aus Unternehmenssicht ein enormer Erfolg mit Blick auf Ziele wie Marge, Umsatz und Gewinn („Company targets“). Aus Kundensicht („Customer“) allerdings ein Damoklesschwert. Das Kaufverhalten der Apple-Kunden veränderte sich im Zeitablauf, u.a. bedingt durch eine Veränderung der oben skizzierten Einflussfaktoren:
a) Zunehmende Reife des Smartphone-Marktes („Cycle stage“)
b) intensiverer Wettbewerb („Competition“) und
c) Überkapazitäten im Markt („Capacity“).
Der zu starke Fokus auf Profit als Zielsetzung („Company targets“) erwies sich zunehmend als Risiko für den langfristigen Markterfolg von Apple.
– Analyse –
In den Jahren 2017 und 2018 wurde offensichtlich: Apple forcierte seine Hochpreispolitik zulasten von Marktanteilen und Kundenzufriedenheit. In Wachstumsmärkten wie Indien fiel der Marktanteil dramatisch. Diese Entwicklung wurde von Experten lange Zeit ignoriert. In meinem Buch „Digitales Pricing“ habe ich die zunehmende Schieflage beschrieben. Ausgangsbasis war eine Marktbefragung mithilfe von Methoden wie „Price sensitivity measurement“, „Expertenschätzung“ und „Value driver Analyse“. Die Erkenntnisse der Methoden wurden integriert. Die „Value-Price-Map“ zeigt ein klares Bild: Die meisten Smartphonenutzer nahmen das Verhältnis von gebotenem Nutzen (vertikale Dimension) und gefordertem Preis (horizontale Achse) im Fall von Apple als nicht ausgewogen wahr. Diese Analyse erfolgte 2018 kurz vor der Einführung der neuen Serie, die den beschriebenen Einbruch verzeichnete.
Im September 2018 führte Apple 3 neue Versionen des iPhone ein: Die höherwertige Version XS Max (512 GB Speicher) zu einem Luxuspreis von 1.649 €. Innerhalb von wenigen Monaten musste Apple deutliche Rückgänge seiner Umsätze und Gewinne hinnehmen. Das Absatzminus belief sich zum Jahreswechsel 2018/2019 im Jahresvergleich auf 30 Prozent. In den Wirtschaftsmedien fielen mit Bezug zu Apple Begriffe wie „Mondpreise“, „irrationale Preispolitik“, „absurde Hochpreisdoktrin“, „Preistreiberei“, „Diktat der Gewinnmaximierung“, „abgehobene Preispolitik“. Das Manager Magazin wählte in seiner Ausgabe 1/2019 den Begriff „Fallobst“. Ca. ein halbes Jahr nach meiner Fallstudie drehte die öffentliche Wahrnehmung und Bewertung des Apple-Pricing massiv. Experten bemängelten besonders, dass sich Apple dagegen sträubte, ein preiswertes Einsteiger-Gerät auf den Markt zu bringen.
– Weitere Entwicklung seit Anfang 2019 –
Die gute Nachricht lautet: Apple hat aus der Fehlpositionierung gelernt. Konzern-Chef Tim Cook räumte nach zwei rückläufigen Quartalen im ersten Halbjahr 2019 reumütig Fehler ein. Anfang 2020 ist von der Einführung einer preisgünstigeren Version die Rede. Apples Vorstoß in das Niedrigpreissgment basiert im Kern auf der schmerzlichen Erkenntnis, dass die hochpreisigen Smartphones einen Teil von Apples Käuferschichten abschreckten. Fallbeispiele zu erfolgreichen „Less expensive alternatives“ gibt es in zahlreichen Branchen.
Methoden der Preisoptimierung
Nach diesem Einleitungsartikel stelle ich in der folgenden Serie die wichtigsten Methoden der Preisoptimierung detailliert vor. Die Serie wird in Kürze an dieser Stelle fortgesetzt!
Es wird aufgezeigt, in welchen Entscheidungssituationen welche Ansätze genutzt werden können. Ein besonderer Fokus besteht auf der fallspezifischen Kombination von Methoden.
Die eingangs beschriebenen Gewinnpotenziale professionellen Pricings hängen unmittelbar von der Anwendung der Preismethoden ab. Ohne Methodenunterstützung fehlt die Datengrundlage für „Pricing excellence“ – Pricingverantwortliche befinden sich dann schlichtweg im „Blindflug“!
Lesen Sie auch den Gastbeitrag “Digital Pricing: Die Rolle des Preismanagements im Rahmen der digitalen Transformation“!
Whitepaper “Digital Transformation and Pricing” von Frank Frohmann – Englische Version
Als im September 2018 Frank Frohmanns Buch „Digitales Pricing“ bei Springer Gabler erschienen ist, traf es auf großes Interesse, nicht nur im deutschsprachigen Markt. Bevor eine erweiterte englische Ausgabe erscheint, wird die Lücke mit diesem Whitepaper geschlossen, in dem wesentliche Facetten des digitalen Preismanagements beschrieben werden.

Über Frank Frohmann:
Mit Fragestellungen der Digitalisierung hat sich Frank Frohmann bereits Ende der 90er Jahre in Projekten für B2C- und B2B-Firmen beschäftigt. Der umfassende Erfahrungsschatz mit Digitalisierungs-Strategien und Preisoptimierungen basiert auf drei wesentlichen Tätigkeitsfeldern: Externe Unternehmensberatung (Simon-Kucher & Partners; ab 1996), operatives Preismanagement (Lufthansa; Cargo und Passage) sowie Inhouse-Consulting (u.a. Bosch und Evonik). Sein Buch “Digitales Pricing“ wurde vom Springer Verlag im September 2018 veröffentlicht. Sie können das Buch bei Amazon bestellen.
Seit September 2019 arbeitet Frohmann als Business Development Manager Pricing bei Vistex GmbH
Über Vistex:
Die Vistex Inc. wurde im Jahr 1999 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Hoffman Estates, USA. Als Global Solution Extensions Partner der SAP SE, bietet das Unternehmen SAP-basierende IT-Lösungen mit Spezialisierung für die Automobil-, Chemie,- Konsumgüter,- Lebensmittel,- High Tech,- Herstellungs- und Arzneimittelindustrie, sowie den Einzel- und Großhandel, speziell im Go-To-Market Bereich an.
Beim Subscription Leaders Summit im Oktober 2019 in Frankfurt trafen sich über 120 Teilnehmer um bei sechs Keynotes, drei Panels und sechs Deep Dive Sessions die Zukunft des Subscription Business zu diskutieren. Frank Frohmann hat die Deep Dive Session zum Thema “Pricing” geleitet.
Das Video zeigt die Highlights des Events.